Depressionen im Lockdown

Ausgangsbeschränkungen, Kontaktsperren und die Schließung vieler Einrichtungen des gesellschaftlichen Lebens haben die sozialen Kontakte über viele Wochen auf ein Mindestmaß reduziert. Alltägliche Routinen wie der Weg zur Arbeit oder Pausen im Kollegenkreis existieren plötzlich nicht mehr, dafür kommen neue, zum Teil sehr belastende Herausforderungen wie Homeschooling, Kinderbetreuung oder das Umsorgen älterer Menschen in der Familie hinzu. Bei Menschen mit Hang zu Depressionen können sich diese plötzlichen Veränderungen im Leben zusätzlich negativ auf ihre psychische Verfassung auswirken.

Krankheit: Depression

Depressionen gehören weltweit zu den häufigsten Formen psychischer Störungen und sind die häufigste Ursache für Suizide und Frühberentungen. Außerdem sind sie – nach den Rückenschmerzen – die Diagnose mit der höchsten Anzahl krankheitsbedingter Fehltage. Geschätzt leiden etwa 5,3 Mio. Menschen in Deutschland unter einer Depression. Krankheitsbedingte Ausfälle aufgrund von Depressionen haben sich bei den AOK-versicherten Beschäftigten im Rheinland von 2004 bis 2019 mehr als verdoppelt. Die rezidivierenden depressiven Störungen nahmen in diesem Zeitraum sogar um ein Dreifaches zu. Die ersten Zahlen des Jahres 2020 (Januar bis Mai) zeigen deutlich einen negativen Trend: sowohl bei den Depressionen als auch bei den rezidivierenden depressiven Störungen scheint es in Zeiten von Corona wieder einen deutlichen Anstieg zu geben. Mit Sicherheit kann man das erst am Ende des Jahres sagen, wenn alle Werte für 2020 vorliegen, aber momentan sprechen die Zahlen für sich.

Seelen im Lockdown

Leben auf Distanz: Die Maßnahmen, die die Pandemie eindämmen sollen, empfinden die meisten als bedrückend. Für Menschen mit Depressionen aber haben die Einschränkungen noch eine ganz andere Dimension: Sie berauben sie der Stützen, die ihre seelische Gesundheit stabilisieren. Der Wissenschaftler Prof. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, hat mit seiner Arbeitsgruppe in der Pandemie Menschen mit und ohne Depressionen zu den Auswirkungen befragt, die die Kontaktbeschränkungen und andere Maßnahmen für sie haben. Das Ergebnis ihres „Deutschland-Barometers Depression“ ist eindeutig: Menschen mit Depressionen trifft die Pandemie um ein Vielfaches härter. Depressiv Erkrankte hatten dabei zwar nicht mehr Angst, sich mit dem Corona-Virus anzustecken als die übrige Bevölkerung (43 Prozent versus 42 Prozent). Sie erlebten den Lockdown aber deutlich häufiger als belastend (74 Prozent versus 59 Prozent). Und das auch langfristig: So gaben noch im Juli dieses Jahres 68 Prozent von ihnen an, die Situation als bedrückend zu empfinden. In der Allgemeinbevölkerung waren es nur 36 Prozent.

Feste Tagesstrukturen

Was kann man in solchen Krisenzeiten tun, um die Seele gesund zu erhalten? Wichtig ist, seinen Alltag zu strukturieren, ob während der Corona-Pandemie oder in anderen Krisenzeiten: Wer feste Tagesstrukturen und Routinen einhält, schafft so ein Gefühl von Ordnung und Sicherheit. Halten Sie darum einen festen Rhythmus ein: Stehen Sie morgens zur gewohnten Zeit auf, halten Sie feste Essenzeiten ein, gehen Sie wie gewohnt zu Bett. Arbeiten Sie aus dem Home-Office, empfiehlt es sich, die gleichen Arbeitszeiten wie im Büro beizubehalten. Bleiben Sie in Kontakt: In der Corona-Pandemie müssen Telefonate oder Gespräche per Videochat viele direkten Begegnungen ersetzen. Das verordnete Zuhausebleiben ist sogar eine gute Gelegenheit, sich bei Menschen zu melden, mit denen man länger keinen Kontakt hatte. Greifen Sie außerdem wieder einmal zu Stift und Briefpapier. Ein Brief ist etwas Besonderes geworden, darin lassen sich zudem Gedanken formulieren, die beim alltäglichen Smalltalk nicht angesprochen werden.

Raus in die Natur

Sport verbessert die Laune und entspannt. Denn bei körperlicher Aktivität baut der Körper Stresshormone ab. Planen Sie darum gerade in belastenden Phasen regelmäßige Bewegungseinheiten ein. Etwas Zeit zum Joggen, Fahrradfahren oder für ein Home-Workout sollten Sie sich am besten täglich nehmen. Wie wirksam körperliche Aktivität ist, zeigen Untersuchungen. Sie belegen, dass regelmäßiges Ausdauertraining sogar Depressionen lindern kann. Es muss nicht immer ein schweißtreibendes Training sein: Schon ein Spaziergang im Grünen wirkt sich positiv auf die Stimmung aus. Menschen, die in einem grünen Umfeld leben, haben beispielswiese weniger Stresshormone im Blut. Wer nicht das Glück hat, einen Garten vor der Tür zu haben, sollte sich seine Dosis seelisches Grünfutter durch regelmäßige Aufenthalte in Parks organisieren.

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