Impfbereitschaft sinkt

Mehrere Pharmaunternehmen haben eine Impfung gegen Covid-19 in der Pipeline, das Mainzer Unternehmen Biontech mit seinem US-Partner geht bei seinem Impfstoff von einer Wirksamkeit von 95 Prozent aus. Dennoch sind die Menschen in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und den USA skeptischer geworden. Der Anteil derjenigen, die sich sicher schnell gegen das Coronavirus impfen lassen wollen, ist im Vergleich zum Juni kleiner geworden, wie eine repräsentative Studie des Meinungsforschungsinstituts Kantar ergeben hat. Dafür hat die Riege der Wackelkandidaten zugelegt, das heißt, diese würden sich „wahrscheinlich“ gegen Corona impfen lassen.

Definitiv oder wahrscheinlich

Der Anteil derjenigen, die sich „definitiv“ für eine Impfung entscheiden würden, ist laut der Umfrage in den USA am stärksten gesunken. Dort liegt er aktuell bei 30 Prozent, im Juni waren es noch 47 Prozent. „Wahrscheinlich“ impfen lassen würden sich 36 Prozent (Juni: 23 Prozent). In Deutschland haben sich die Anteile im Vergleich zum Juni um wenige Prozentpunkte verändert. 35 Prozent (-4) der Menschen sind laut Umfrage „definitiv“ zu einer Impfung bereit, weitere 32 Prozent „wahrscheinlich“ (+4).
69 Prozent der Menschen in Deutschland stimmten der Aussage „voll und ganz“ oder „eher“ zu, dass Impfstoffe sicher sind. In Frankreich (62 Prozent) und den USA (65 Prozent) ist der Anteil etwas niedriger, in Italien (70 Prozent) und Großbritannien (75 Prozent) etwas höher.

Alarmierende Aussagen

„Wenn weniger als die Hälfte der Bevölkerung einer Nation sagt, dass sie sich „auf jeden Fall“ impfen lassen würde, bedeutet dies, dass die Regierungen eine gewaltige Aufgabe vor sich haben“, sagt Emmanuel Rivière, Vorsitzender des „Centre Kantar sur le Futur de l’Europe“. Er hält die Ergebnisse der Studie für Regierungen auf der ganzen Welt für alarmierend. Es sei an der Zeit, mit größter Intensität, das Vertrauen in einen zugelassenen Impfstoff aufzubauen und ihre Nationen zu mobilisieren, sich tatsächlich impfen zu lassen.

Sorge um Sicherheit

Eine andere repräsentative europaweite Befragung brachte noch andere Ergebnisse. Das Hamburg Center for Health Economics (HCHE) der Universität Hamburg hat herausgefunden, dass sich nur die Hälfte impfen lassen will, denn in der Bevölkerung nimmt die Sorge um die Sicherheit eines Corona-Impfstoffes zu. Parallel zur Angst vor Ansteckung wächst aber andererseits auch die Sorglosigkeit. Das Center for Health Economics der Universität Hamburg untersucht die Einstellungen, Sorgen und das Vertrauen der Menschen in Bezug auf die Corona-Pandemie seit April 2020 in mehreren Befragungswellen. Dazu nahmen bislang mehr als 7000 Befragte in Dänemark, Frankreich, Italien, den Niederlanden, Portugal und Großbritannien an jeder Befragung teil. Die Sorge vor einem hohen Ansteckungsrisiko war den Ergebnissen nach zwischen April und Juni gesunken, seit Juni ist sie allerdings wieder um drei Prozent angestiegen. Eine Tendenz, die sich in allen befragten Ländern aktuell zeige, so das Team. Während die Sorge vor Ansteckung also steigt, halten sich allerdings der Befragung zufolge immer weniger Menschen an die Abstands- und Hygieneregeln. Der wissenschaftliche Direktor des HCHE, Jonas Schreyögg, deutet diese Ergebnisse mit einer Corona-Müdigkeit in der Bevölkerung: „Wir stellen fest, dass die steigenden Infektionszahlen die Bevölkerung zwar ängstigen, aber gleichzeitig auch, dass eine gewisse Müdigkeit bei der Einhaltung der Regeln zu erkennen ist.“ Diese Routinen müssten erst wieder eingeübt werden. Auf der anderen Seite würden die Menschen die steigenden Infektionszahlen sehen: Und darauf reagieren sie nun mit Besorgnis. Das sei nicht unbedingt widersprüchlich, sondern vielmehr zwei unterschiedliche Vorgänge.

Impfgegner

Bei den Impfgegnern konnten die Wissenschaftler feststellen, dass dies vor allem Personen betrifft, die für sich kein gesundheitliches Risiko durch Corona sehen – oder kein Vertrauen in die Informationspolitik ihrer Regierung beziehungsweise Organisationen wie der WHO haben. Hier zeige sich auch ein deutlicher Unterschied je nach Bildungsstand. Bei einem hohen Bildungsstand sank die Impfbereitschaft demnach von 77 Prozent im April auf 66 Prozent im September. Bei geringem Bildungsstand sei die Zahlen von 71 auf 54 Prozent gesunken. Mediziner gehen davon aus, dass zwischen 60 und 70 Prozent der Bevölkerung geimpft sein müssten, um die Pandemie zum Erliegen zu bringen.

Diesen Post teilen