Autorin Anne Klein

Knopfphobie

Angst vor Spinnen? Kann man nachvollziehen. Angst vor Fahrstühlen? Ebenfalls. Angst vor Knöpfen? Macke. So ähnlich werden viele Menschen urteilen. Aber diese Angst vor Knöpfen gibt es tatsächlich und den betroffenen Kindern und den Eltern geht es ziemlich speziell. „Leidet ein Kind unter gewissen Ängsten, so sollten Eltern sich nicht darüber lustig machen, sondern es ernst nehmen. Auf keinen Fall sollten sie ihr Kind zwingen, sich damit zu konfrontieren.“ Besser sei es, das Kind langsam an etwas Angstauslösendes heranzuführen. „Sprechen Sie mit ihm und lassen sich die Ängste beschreiben, so dass Sie verstehen können, wovor Ihr Kind sich fürchtet. Loben Sie Ihr Kind, wenn es etwas macht, wovor es vorher Angst hatte“, rät Dr. Monika Niehaus, Kinder- und Jugendärztin aus Weimar. Bestimmte Ängste gehören zur Entwicklung eines Kindes und sind vorübergehend. Halten die Befürchtungen aber über einen längeren Zeitraum an und können Eltern ihr Kind auch nicht mit Zuwendung und Unterstützung beruhigen, sollten sie den Kinder- und Jugendarzt darüber informieren. Zwischen acht und zwölf Monaten entwickeln Babys erstmals Trennungsangst. Auch fremde Menschen können das Baby dann erschrecken. Kleinkindern und Vorschulkindern fällt es schwer, zwischen Phantasie und Realität zu unterschieden. In dieser Zeit können Albträume ein Kind wecken. „Dann hilft es, dem Kind Sicherheit zu geben, indem Vater bzw. Mutter es umarmen und eventuell bleiben, bis es wieder einschläft. Vielleicht können Eltern zusammen mit ihrem Kind z. B. dem gefürchteten Monster die Gefährlichkeit nehmen, indem sie seine Schwächen erkunden oder das Ungeheuer in einem Bild festhalten. Die Erklärung, dass etwas nur der Phantasie entsprungen ist, nimmt vielen Kindern häufig erst im Schulalter die Angst“, berichtet Dr. Niehaus. Fernsehsendungen, Nachrichten sowie Videospiele mit bedrohlichen Bildern sollten Kinder nicht ausgesetzt sein, denn dies kann ebenso Ängste schüren.

Beratungsangebote

Viele Städte und Gemeinden bieten niederschwellige Beratungsangebote – karitativ oder staatlich finanziert gibt es Stellen, in denen Sozialpädagogen oder Psychologen zu Gesprächen laden, um bestimmte Situationen durchzuspielen und Handlungen zu analysieren. Man muss sie nur nutzen. Jeder Kinder- und Jugendarzt hat entsprechende Adressen. Eigentlich müssen Kinder mit Ängsten im Vorschulalter noch nicht therapiert werden, argumentieren Experten. Das schließt aber Hilfe nicht aus – und die sollte über die Eltern erfolgen, die die auslösende Situation besprechen, bespielen und vielleicht auch ändern. Eltern von Kindern mit Knopfangst berichten, wie sie damit umgegangen sind: „Mein Sohn war zwei Jahre alt, als er eines Morgens schreiend aus dem Bett aufsprang. Er zeigte auf die Bettwäsche und sagte völlig aufgelöst „Knöpfe“! Bald legte sich mein Sohn unter keine Decke mehr mit Knöpfen, weinte und wand sich, wenn ich ihm Kleidung mit Knöpfen anziehen wollte. Er hielt vermehrt Abstand zu Menschen mit Knöpfen an der Kleidung. Natürlich war er zu klein, um es mir zu erklären, aber ich sah schnell ein, dass das wohl keine Phase war, die ich aussitzen konnte. Traurig begann ich, seinen Kleiderschrank auszumisten. Adieu, geliebte Latzhosen! Hallo, Pull-on-Jeans! Sämtliche Bettwäsche musste auf Reißverschluss umgestellt werden, Zierkissen mit Knopfleiste wurden abgeschafft und auch meine Garderobe musste angepasst werden. Zum Glück trug ich keine Blusen.“

Daran gewöhnt

Eine Therapie empfahl die behandelnde Ärztin vorerst nicht. Bei einer spezifischen Phobie bedeutet Therapie „Desensibilisierung“. In mindestens 20 Sitzungen werden die kleinen Patienten immer wieder mit den auslösenden Stimuli konfrontiert. Also immer wieder ihren Ängsten bzw. Abneigungen ausgesetzt, so lange, bis sie sie nicht mehr so schlimm finden. Das wollte die Mutter ihrem Sohn auf keinen Fall zumuten.

Sicher gibt es Fälle, wo der Leidensdruck hoch genug ist, um einen solchen Schritt in Erwägung zu ziehen. Aber eine Knopfphobie sorgt im Alltag ja nicht unbedingt für schmerzliche Einschränkungen. Höchstens, dass die Suche nach einer knopflosen Hose schwieriger wird. Allerdings ist die aktuelle Mode da ja gnädig. Die Entscheidung für eine Therapie hängt stark davon ab, wie sehr die Angst oder der Ekel das Kind im Alltag belastet. Und tatsächlich wurde die Phobie auch bei dem betroffenen Jungen mit zunehmendem Alter besser. Sie ist nicht verschwunden, aber er kann Knöpfe ausblenden, solange er sie nicht sieht oder berührt. Und sollte er sich als Erwachsener eingeschränkt fühlen, dann kann er sich immer noch für eine Desensibilisierung entscheiden.