Kunst als Stabilität im Alltag

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Christina Weskott
Burg Horbell
D-50858 Köln-Marsdorf

www.kunstaufrezept.de

Werbebeitrag/ Autor: Peter M. Crause

Kunst als Stabilität im Alltag

Für viele Menschen ist ein Museumsbesuch eine angenehme Freizeitaktivität, ein Moment der Entspannung oder eine ­Quelle der Inspiration. Für eine 58-jährige Lehrerin jedoch, die nach einer Erschöpfungsphase aus dem Berufsleben ausgeschieden ist, wurde das Museum zur wichtigen Stütze. „Im Museum kann ich den Druck des Alltags hinter mir lassen. Ich tauche ein in die Bilder, und danach fühle ich mich leichter“, beschreibt sie ihre Erfahrung. Diese regelmäßigen Besuche im Kunsthaus haben ihr geholfen, strukturelle Stabilität und emotionale Ruhe zurückzugewinnen.

Ihr Erfahrungsbericht entspricht aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen: Die Weltgesundheitsorganisation publizierte 2019 eine internationale Metastudie mit über 3000 wissenschaftlichen Arbeiten, die belegt, dass Kunst- und Kulturangebote die psychische sowie physische Gesundheit stärken können – etwa durch Emotionsverarbeitung, soziale Verbindung und Unterstützung von Genesungsprozessen. In Deutschland bringt die ­Forschung konkrete Ergebnisse: Eine Studie der TU Dresden zeigt, dass Museumsbesuche depressive Symptome bei Menschen mit Demenz verringern, Stimmung und Lebensqualität steigern und auch körperliche Aktivität fördern.

Vom Pilotprojekt zum Gesundheitssystem?

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage: Kann Kunst künftig fester Bestandteil der medizinischen Versorgung werden? Erste praktische Ansätze gibt es bereits. In Bremen läuft seit Anfang 2023 das Pilotprojekt „Kunst auf Rezept“ im Rahmen des EU-Programms „Arts on Prescription in the Baltic Sea Region“. Hier können Betroffene mit psychischen Belastungen – Depressionen, Ängste, Einsamkeit, Stress – ein Rezept für kostenlose Teilnahme an Gruppen-Kunstkursen erhalten, die durch Haus- und Fachärztinnen und -ärzte oder Psychotherapeutinnen und -therapeuten vermittelt werden. Anschließend gibt es ein Beratungsgespräch und begleitende Gruppentreffen, die den Austausch fördern. Das Projekt wurde vom Bremer Senat (Gesundheit, Kultur) und der Volkshochschule umgesetzt und wird bis 2025 evaluiert. Aufgrund seiner ersten Erfolge wurde es 2024 mit dem Landespreis „Gesichter für ein gesundes Miteinander“ der DAK-Gesundheit ausgezeichnet.
In Berlin untersucht die Charité unter Federführung von Professor Wolfram Herrmann derzeit, inwieweit kulturelle Angebote als sogenannte „soziale Rezepte“ in die hausärztliche Versorgung aufgenommen werden können. Ziel ist es, neben klassischen Behandlungen eine strukturelle Begleitung durch Kulturangebote zu ermöglichen.
Politisch gewinnt dieser Ansatz zudem an Bedeutung. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Künstlerische Therapien fordert im Rahmen des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GSVG), künstlerische Therapien explizit zu integrieren und damit die seelische Gesundheitsversorgung zu erweitern.

Ausblick: Realistische Chancen für die Krankenkasse

Der Blick auf die Perspektive des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkassen zeigt: Der Weg zur Erstattung von Museumsbesuchen als Therapie oder Prävention ist noch lang. Die große Hürde bleibt, dass wissenschaftlich belastbare Belege zu Wirksamkeit und Kosteneffektivität fehlen – und neue Leistungen müssen sich sowohl medizinisch als auch ökonomisch gerechtfertigt zeigen. Hinzu kommen ein spürbarer Spardruck im System und eine klare Priorität auf nachgewiesene medizinische Evidenz. Das Bundesgesundheitsministerium unterstreicht diese Haltung etwa durch den klaren Richtungswechsel bei homöopathischen Leistungen: Solche werden gestrichen, weil ihrem Nutzen keine wissenschaftliche Basis zugrunde liegt.
Gleichzeitig liefert Bremen einen konkreten Wegweiser: Wenn die laufende Evaluation bis 2025 positive Effekte auf psychische Gesundheit, Alltagsstruktur, Rückfallvermeidung und damit potenziell günstigere Gesamtkosten beweist, eröffnet sich ein politischer Ansatzpunkt. Die Integration in den ­Leistungskatalog der Krankenkassen könnte in Modellregionen beginnen – etwa in Bremen, dann perspektivisch bundesweit. Parallel könnten die Forderungen des Fachbereichs künstlerische Therapien und Erfahrungen anderer Länder – darunter Großbritannien mit „Social Prescribing“ – als Vorbild dienen. Für die Betroffenen selbst ist die Wirkung teils schon heute spürbar: Die Lehrerin unseres Beispiels zieht eine klare Bilanz: Kunst schenkt ihr Kraft, Struktur und Zuversicht. Ob und wann die Krankenkasse den Eintritt bezahlt, steht noch aus – aber die Entwicklungen zeigen: Museen und kulturelle Angebote haben das Potenzial, bald mehr zu sein als Orte der Freizeit – womöglich Partner im Gesundheitssystem. Der Weg dahin braucht Forschung, politische Willensbildung und gesellschaftliche Anerkennung – und vielleicht liegt die Zukunft der seelischen Gesundheit bald auch etwa in einem Museumsbesuch.