Autorin Anne Klein

Ohne Färben graue Haare weg

Graue Haare gelten als Vorboten des Alterns. Manchen macht der neue Farbton nichts aus, andere finden die silbrigen Streifen im Haar furchtbar. Graue Haare stehen oft für ein fortgeschrittenes Alter oder viel Stress. Sie werden daher oft überfärbt. Das ist eine ziemlich mühselige Arbeit, da das Überfärben regelmäßig gemacht werden muss und nicht nur ganz schön ins Geld geht, sondern auch das Haar strapaziert. Neue Forschung deutet nun allerdings darauf hin, dass sich der Ergrauungsprozess womöglich rückgängig machen lässt – zumindest vorübergehend. Hinweise darauf, dass graue Haare spontan wieder Farbe annehmen könnten, gibt es in der wissenschaftlichen Literatur schon seit Jahrzehnten. Allerdings lediglich in Form von Einzelfallstudien. Jetzt gibt es wieder eine kleine Hoffnung: Eine Studie hat herausgefunden, dass manche grauen Haare wieder zu schwarzen, blonden, braunen oder roten Strähnen werden können! Dabei spielen Alter und Stress eine wichtige Rolle.

Wie entstehen graue Haare?

Wenn das Haar seine Farbe verliert, verliert es Melanin-Pigmente. Der völlig normale Alterungsprozess und die damit einhergehenden grauen Haare können leider nicht aufgehalten werden. Allerdings können Haare eben noch durch andere Faktoren ergrauen. Einer davon ist regelmäßiger Stress. Aber auch Rauchen, Hormonstörungen oder Nährstoff- und Vitaminmängel könnten dazu beitragen. Aufgrund fehlender Forschungswerkzeuge konnte der Zusammenhang von Stress und grauem Haar bisher noch nicht so präzise untersucht werden. In einem Artikel aus dem Jahr1972 berichtete der Dermatologe Stanley Comaish von einer Begegnung mit einem 38-jährigen Mann, der etwas hatte, was er als ungewöhnlich empfand. Obwohl die überwiegende Mehrheit seiner Haare entweder ganz schwarz oder ganz weiß war, waren drei Strähnen an den Enden hell, aber in der Nähe der Haarwurzel wieder dunkel. Das deutet auf eine Umkehrung des normalen Ergrauungsprozesses, der an der Wurzel beginnt.

Hinweis auf Stress

In einer Studie im Fachmagazin „eLife“ liefert eine Forschungsgruppe nun den bislang solidesten Beweis dafür, dass dieses Phänomen tatsächlich existiert. Das Team untersuchte die Haare von rund einem Dutzend Männer und Frauen unterschiedlichen Alters und verschiedener Ethnien und fand bei ihnen ebenfalls solche ungewöhnlichen zweifarbigen Haare. Außerdem gelang es den Forscherinnen und Forschern, die Muster des Ergrauens und der Umkehrung mit Stressperioden in Verbindung zu bringen – ein Hinweis darauf, dass dieser altersbedingte Prozess eng mit unserem Wohlbefinden verbunden ist. Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass es ein Zeitfenster geben könnte, in dem das Ergrauen reversibler ist, als man lange Zeit dachte, sagt Studienkoautor Ralf Paus, Dermatologe an der University of Miami.

Junge Menschen im Vorteil

Die meisten Menschen bemerken ihre ersten grauen Haare in ihren 30ern – manche finden sie auch schon in ihren späten 20ern. Diese Periode, in der das Ergrauen gerade erst begonnen hat, ist wahrscheinlich die Zeit, in der der Prozess wohl reversibel ist, sagt Paus. Bei Menschen mit vollständig ergrautem Haupthaar haben die meisten Strähnen vermutlich einen „Punkt ohne Wiederkehr“ erreicht.
Das Team befasste sich außerdem mit der Frage, inwiefern das Ergrauen der Haare mit psychischem Stress zusammenhängt. Bei einer kleinen Untergruppe von Teilnehmern lokalisierten die Forscher deshalb Segmente in einzelnen Haaren, in denen Farbveränderungen im Pigmentierungsmuster auftraten. Dann berechneten sie anhand der bekannten durchschnittlichen Wachstumsrate des menschlichen Haares (etwa ein Zentimeter pro Monat), zu welchen Zeiten solche Veränderungen aufgetreten waren. Das glichen sie wiederum mit Zeitpunkten in der Biografie der Teilnehmer ab, an denen diese eigenen Aussagen zufolge besonders viel Stress erlebt hatten.
Bei einem 35-jährigen Mann mit kastanienbraunem Haar erlangten fünf Haarsträhnen während eines zweiwöchigen Urlaubs ihre Farbe wieder. Bei einer 30-jährigen Frau mit schwarzem Haar enthielt hingegen eine Strähne ein weißes Segment in den zwei Monaten, in denen sie sich von ihrem Partner trennte und umzog.
Die Studienautoren wollen im nächsten Schritt den Zusammenhang zwischen Ergrauen und Stress näher untersuchen. Dafür wollen sie eine Studie durchführen, welche Veränderungen der Haare und des Stressniveaus prospektiv analysiert. Anstatt sie wie vorher zu bitten, sich an Lebensereignisse aus der Vergangenheit zu erinnern, werden die Teilnehmer dabei über einen bestimmten Zeitraum beobachtet.