Schmerz im Nerv

Schmerzen über Schmerzen – und dies fast überall. An Armen und Beinen am Rücken. Und vielfach einseitig. Hinzu kommt noch ein wirklich extrem unangenehmes Gefühl von steifen und angeschwollenen Händen oder der Füßen; selbst des Gesichts. Weitere Symptome sind starke Konzentrationsschwächen, permanente Müdigkeit, Erschöpfung und ein schlechter Schlaf. Dies alles spricht bei einem Verlauf über mehrere Monate für eine Fibromyalgie. Eine Krankheit, die noch vor einigen Jahren fälschlicherweise als entzündlich-rheumatische Erkrankung definiert wurde, und für deren Diagnose spezielle Schmerzdruckpunkte überprüft wurden. Neueste Forschungen zeigen: Dem ist nicht so. Und auch, wenn der Schmerz besonders als muskulär empfunden wird, so zeigen Untersuchungen, dass sowohl Muskeln als auch Gelenke vollkommen unverändert sind; egal, ob beispielsweise geröntgt wird, oder ob umfangreiche Untersuchungen im Labor durchgeführt werden. Weil die Fibromyalgie eben kein eindeutig definiertes Krankheitsbild zeigt, zugleich aber ein klares Beschwerdebild, findet sich heutzutage vielfach der Begriff »Syndrom« in dem Zusammenhang wieder.

Forschung in Würzburg

Die Würzburger Neurologin Prof. Dr. Claudia Sommer arbeitet seit vielen Jahren mit ihrem Team an der Krankheit und deren Diagnosemöglichkeiten. So untersuchte sie mit Kollegin PD Dr. Nurcan Üçeyler 35 Patienten und eine entsprechende Anzahl an Kontrollprobanden mit drei unterschiedlichen Verfahren: Eine sensorische Testung bestimmte thermische Wahrnehmungs- und Schmerzschwellen der kleinen Nervenfasern. Zusätzlich wurde die elektrische Erregbarkeit der Nervenfasern gemessen sowie Gewebeproben aus der Haut unter dem Mikroskop untersucht. „Alle drei Untersuchungsverfahren brachten bei Fibromyalgie-Patienten deutliche Zeichen für eine Schädigung der kleinen Nervenfasern zu Tage“, erklären die Medizinerinnen. Auch zwei nachfolgende amerikanische Forschungsarbeiten fanden Veränderungen in Dichte und Funktion kleiner Nervenfasern und bestätigten das Fibromyalgie-Syndrom als neuropathische – also von den Nerven ausgehende – Erkrankung. Für Claudia Sommer ist daher klar, dass allein schon der Nachweis einer organischen Ursache und die Entstigmatisierung für viele Patienten eine psychische Entlastung bedeutet.

Die Optimierung von Diagnose und Therapie ist für die Neurologin eine gesellschaftliche Aufgabe: „Wenn es gelingt, bei nur einem Drittel der schätzungsweise 1,2 Millionen FMS- Betroffenen in Deutschland durch neue Erkenntnisse eine effiziente Therapie zu finden, würden 400.000 Menschen weniger leiden – so viel wie Erfurt und Rostock zusammen Einwohner haben.“ Derartige bessere Diagnosen und Therapien wären für Patienten und das Gesundheitssystem außerordentlich wichtig. Die persönlichen und sozioökonomischen Auswirkungen der Fibromyalgie sind nämlich beträchtlich: Viele Betroffene können ihren Alltag nur mit Mühe bewältigen oder müssen ihre Arbeit aufgeben. Zwei bis vier Prozent der Bevölkerung in westlichen Industriestaaten kennen den Katalog an Beeinträchtigungen des Fibromyalgiesyndroms am eigenen Leib. Durch aufwändige Untersuchungen, Fehldiagnosen oder unwirksame Behandlungen entstehen hohe Kosten.

Behandlung

Welche Möglichkeiten der Behandlung gibt es? Dazu erklärt Professor Dr. Wolfgang Eich vom Universitätsklinikum Heidelberg: „Unsere Recherchen haben gezeigt, dass die Patienten besonders von regelmäßigen Aktivitäten profitieren, die sie eigenständig im Sinne eines Selbstmanagements durchführen können.“ Neu in der Leitlinie ist daher die Empfehlung für ein individuell angepasstes Ausdauer- und leichtes körperliches Krafttraining. Dazu zählen etwa 30 Minuten schnelles Spazierengehen, Walking oder Fahrradfahren zwei- bis dreimal in der Woche. „Optimal wäre die Kombination mit Entspannungsverfahren und Psychotherapie-Verfahren, die die Selbstwirksamkeit erhöhen, wie beispielsweise kognitive Verhaltenstherapien oder andere Psychotherapieverfahren“, sagt der Mediziner. Diese Formen der „multimodalen Therapie“ zeigen die besten Ergebnisse.

Yoga oder Tai Chi

Enttäuscht zeigte sich der Schmerzexperte von den Ergebnissen der medikamentösen Therapieansätze: „Nur wenige Präparate zeigten langfristigen Nutzen, bei den meisten überwiegen die Nebenwirkungen bei längerer Einnahme.“ Nicht geeignet sind entzündungshemmende Schmerzmittel, Opiode oder Cannabinoide. Bestimmte niedrig dosierte Antidepressiva linderten dagegen die Beschwerden und werden daher für den zeitlich begrenzten Einsatz empfohlen. Auch verschiedene komplementäre Therapieverfahren standen auf dem Prüfstand. „Es gibt Studien zum Einsatz von Homöopathie und Reiki bei Fibromyalgie. Bei beiden Ansätzen konnte keine Wirkung nachgewiesen werden“, sagt Eich. Anders bei meditativen Bewegungstherapien wie Tai Chi oder Yoga: Die Kombination aus bewusster Bewegung und Entspannung tat vielen Patienten gut und wird in der neuen Leitlinie daher sehr empfohlen.

Diesen Post teilen