Autor: Peter M. Crause

Stiff-Person-Syndrom

Ein prominenter Fall machte vor Kurzem auf die Krankheit aufmerksam: Die bekannte Sängerin Céline Dione musste ihre Konzerte absagen, denn sie leidet unter dem Stiff-Person-Syndrom – auf Deutsch etwa „steife Person Krankheit“. Und der Name ist Programm, denn es versteift sich die gesamte Körpermuskulatur zuerst anfallsartig, später dann auch dauerhaft. Platzangst und übergroße Schreckhaftigkeit kommen hinzu. Wenn die Krankheit voll ausgeprägt ist, können die Betroffenen weder gehen noch stehen; sie sind dann auf den Rollstuhl angewiesen, so in einer Mitteilung der Neurologischen Klinik in Würzburg. Erstmalig beschreiben wurde das Syndrom 1956 an vierzehn Fällen. Die Erkrankung wird äußerst selten diagnostiziert – von einer Million Menschen trifft es im Durchschnitt eine Person. Auffällig ist, dass Frauen doppelt so häufig betroffen sind wie Männer. Der Ausbruch der Krankheit kann in allen Altersstufen geschehen, das mittlere Alter der Entdeckung der Erkrankung liegt bei 46 Jahren. Schaut man auf den kanadischen Superstar mit ihren 54 Jahren, dann fällt auch sie noch in diese Gruppe. Dem Syndrom liegt eine Immunerkrankung des Zentralen Nervensystems zugrunde: Bestimmte Antikörper greifen in Gehirn und Rückenmark gezielt ein Protein an. Normalerweise wehren Antikörper gefährliche Eindringlinge wie Bakterien oder Viren ab. Sie können sich aber auch fälschlicherweise gegen den eigenen Körper richten, wie es beim Stiff-Person-Syndrom geschieht. Mediziner sprechen dann von einer Autoimmunkrankheit.

Ganz genau betrachtet wird das Enzym Glutamatdecarboxylase im Gehirn angegriffen, welches zentral für die Rolle von Nervenzellen ist. Der Angriff schließlich lässt das gesamte Nervensystem verrückt spielen. Kommen dann noch Anspannung oder Stress hinzu, kann es sein, dass sich die Muskeln ruckartig zusammenziehen und die betroffene Person steif wie ein Brett wird. Welche Muskelgruppen dann betroffen sind, dies kann ganz unterschiedlich sein. So sind zwar oftmals die Beine betroffen, aber auch die Rückenmuskulatur kann es treffen oder beide gemeinsam. Genau hierin liegt auch eine Schwierigkeit bei der Erkennung. Überhaupt machen Autoimmunerkrankungen nahezu immer Probleme in der Diagnostik, da die Betroffenen vielfach an weiteren (Autoimmun-)Erkrankungen leiden, was es den Medizinern erschwert. So kommt es auch vor, dass der Auslöser des Stiff-Person-Syndroms ein noch unentdeckter Tumor ist, der sich im besten Fall operativ entfernen und damit auch das Syndrom nicht mehr ausbrechen lässt. Ein Beispiel für einen solch unentdeckten Tumor ist das sogenannte Thymom – eine Vergrößerung der Thymusdrüse. Grundsätzlich gilt, dass spontane Heilungen allerdings sehr selten sind; der Verlauf des Syndroms ist chronisch, mit schleichenden Verschlechterungen ebenso wie mit langen, stabilen Phasen sowie spontanen Krankheitsschüben.

Therapie

Heilen kann man die Krankheit nicht, aber sie lässt sich mit einer dauerhaften medikamentösen Therapie unter Kontrolle halten. So werden zwei verschiedene Therapiemethoden angewendet. Zum einen eine Behandlung, welche die Beschwerden angeht und zum anderen eine Behandlung, welche sich den Ursachen widmet. Um die Beschwerden unter Kontrolle zu halten, bieten sich muskelentspannende Präparate verschiedener Medikamentengruppen sowie eine Physiotherapie an. Weiterhin wichtig ist es, die betroffenen Muskelgruppen nicht noch zusätzlich zu aktivieren. Entspannung ist das Gebot der Stunde. Geht es um die Ursachen, dann wird hierbei versucht, das Immunsystem – da es die nicht gewünschten Antikörper bildet – zu dämpfen; Immunglobuline sowie Diazepam oder Kortisonpräparate werden eingesetzt. Lindernd wirkt ebenso lindernd wirken sich bei den Betroffenen Blutwäschen aus, weil dadurch die schädlichen Antikörper vorübergehend aus dem Blut entfernt werden. Dauerhaft gelingt das nicht, denn die Antikörper werden von den B-Zellen des Immunsystems immer wieder neu produziert. Allerdings lassen sich auch die B-Zellen angreifen: mit Medikamenten, die ihre Aktivität hemmen. Warum diese Autoimmunerkrankung als nicht heilbar gilt, während andere – ebenfalls Autoimmunerkrankungen – doch entscheidend mit einer Therapie verbessert werden können, liegt noch im Dunkeln. Klar ist nur, dass der Mechanismus der Erkrankungen wohl noch nicht vollständig entschlüsselt wurde.