Autor: Peter M. Crause

Suizid

Wenn sich Menschen freiwillig das Leben nehmen, dann spielen meist so viele Faktoren eine Rolle, dass man oftmals den letztlichen Grund nicht vollumfänglich erfassen kann. Manch einer behauptet, dass auch der Vollmond einen Anteil daran hat. Abenteuerlich? Ja und nein. Tatsächlich gibt es eine Studie, welche diesen Punkt näher beleuchtet hat. Hierbei untersuchten Psychiater der Indiana University School of Medicine fast 800 Selbsttötungen einer Region im Verlauf von vier Jahren unter Berücksichtigung der Tageszeit sowie der jeweiligen Mondphase. Es zeigte sich, dass es wirklich bei Vollmond nahezu 20 % mehr Suizide gab als zu anderen Zeiten. Wobei die Altersgruppe der über 55-Jährigen am stärksten davon betroffen war, in der Gruppe der unter 30-Jährigen dagegen spielte dies überhaupt keine Rolle. Kann aber der Vollmond der Grund sein? Eindeutig: Nein. Unser Erdtrabant spielt zwar bei den Gezeiten eine entscheidende Rolle, beeinflusst aber Menschen in keinem Fall so, dass sie sich das Leben nehmen. Eine Annahme der Forschenden ist, dass der zirkadiane Rhythmus – also der Schlaf-Wach-Rhythmus – hier ins Spiel kommt. Wird die körpereigene „Uhr“ durch das helle Mondlicht gestört, wacht man auf, dies wiederum kann dann die wirklichen Auslöser wie Depressionen verstärken und letztlich die Tat umsetzen. Noch eine Randnotiz hierzu: Es gibt fachlich keinen Beweis dafür, „mondfühlig“ zu sein oder aufgrund des Mondes schlechter schlafen zu können. Bei vielen Menschen mit solchen Befindlichkeiten ist es vielmehr eine Art sich selbsterfüllende Prophezeiung – man glaubt fest daran und dann geschieht es auch so. Entsprechend gilt: Wer bei Vollmond in einem korrekt abgedunkeltem Raum schläft, wird weder davon aufgeweckt, noch ergeben sich in der Folge diese schlimmen Konsequenzen. Betrachten wir daher einen Faktor, der eine Rolle bei einem Suizid spielt – Depressionen.

Ohne Lebenslust

Depressionen gehören zu den häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzten Erkrankungen. An Depression sind aktuell in Deutschland schätzungsweise 11,3 % der Frauen und 5,1 % der Männer erkrankt. Frauen leiden damit etwa doppelt so häufig an Depression wie Männer. Insgesamt sind im Laufe eines Jahres 8,2 % der deutschen Bevölkerung erkrankt. Das entspricht 5,3 Mio. Bundesbürgern. Und durch Suizid sterben jährlich mehr Menschen als durch Drogen, Verkehrsunfälle und HIV zusammen; die Mehrheit der Suizide erfolgt vor dem Hintergrund einer unzureichend behandelten Depression. Bereits im Schulalter müssen Eltern aufmerksam sein. Studien zeigen, dass pro Schulklasse im Schnitt zwei Schülerinnen und Schüler an einer behandlungsbedürftigen Depression erkrankt sind. „Depressionen im Jugendalter zeigen sich oft daran, dass sich ein junger Mensch zurückzieht, eigenen Interessen und Aktivitäten nicht mehr nachgeht, niedergeschlagen und antriebslos wirkt, keine FreundInnen mehr treffen möchte, die Schulleistungen nachlassen und Stimmungsschwankungen über mindestens zwei Wochen zu beobachten sind“, sagt Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Julia Ebhardt. Fachlich zur Seite stand Professor Martin Holtmann, ärztlicher Direktor der Kinder- und Jugendpsychiatrie der LWL-Universitätsklinik Hamm. Eltern sowie Lehrerinnen und Lehrern empfiehlt er: „Sprechen Sie Ihr Kind darauf an, dass fast jeder mal Zeiten von gedrückter Stimmung kennt, dass Sie aber den Eindruck haben, dass dies bei ihm/ihr nun schon länger anhält. Bieten Sie an, nun jemanden einzuschalten, der sich damit gut auskennt und der helfen kann. Das kann der Kinderarzt sein, aber auch ein Kinder- und Jugendpsychiater*in oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut*in, vielleicht auch der Schulsozialarbeiter*in.“

Tipps für die psychische Gesundheit

Um besser mit der belastenden Situation umzugehen, kann für Menschen mit und ohne Depression ein Wochenplan hilfreich sein. Darin werden stundenweise die Aktivitäten für jeden Tag eingetragen, neben Pflichten sollte dabei auch Angenehmes eingeplant werden. „Wichtig ist auch ein geordneter Schlaf-/Wachrhythmus mit Bettzeiten, die bei ca. 8–9 Stunden liegen sollten“, empfiehlt Prof. Ulrich Hegerl, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Inhaber der Senckenberg-Professur an der Goethe-Universität Frankfurt/Main. „Längere Bettzeiten und ein Sich-tagsüber-Hinlegen führen bei den meisten depressiv Erkrankten zu einer Verschlechterung der Depression und zunehmenden Schlafstörungen“, erläutert Hegerl. Mit der Webseite www.fideo.de erhalten Jugendliche ab 14 Jahren ein kompetentes Hilfsmittel. Das von Julia Ebhardt mitentwickelte Tool vermittelt Informationen zur Erkrankung Depression, wie Symptome, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten. Zugleich können sich Jugendliche und junge Erwachsene in einem Chat miteinander austauschen, von ihren Erfahrungen profitieren und einander unterstützen. Weiterhin finden sich auf www.fideo.de ein schneller Selbsttest und ein digitaler Notfallkoffer, der in schwierigen Zeiten Unterstützung bietet. Neben diesen Inhalten für Jugendliche gibt es auch einen Bereich, der sich speziell an Familienangehörige, Schulen oder Freundinnen und Freunde wendet. Hilfe ist daher möglich, wichtig ist, dass sie auch angenommen wird. Sollten Sie Wesensveränderungen bei ihrem Partner, der Partnerin oder den Kindern und Freunden feststellen, sprechen sie sich darauf an. Diese Personen benötigen im Falle einer Depression unbedingt fachliche Hilfe.