Autorin: Anne Klein

Wann kommt der Geschmack zurück?

Schon zu Beginn der Pandemie stellte sich heraus, dass viele mit SARS-CoV-2 infizierte Menschen ihren Geruchssinn verlieren – auch wenn sie sonst keine Symptome zeigen. Zudem bemerkten Fachleute, dass der Geschmackssinn verschwinden kann, ebenso wie die Fähigkeit, bestimmte chemische Reize wie Schärfe wahrzunehmen. Bei manchen der Betroffenen bleiben diese Sinne auch fast ein Jahr später noch verschwunden, und bei einem weiteren Teil ist die Geruchswahrnehmung nun verzerrt. Eine Studie ergab, dass im Juni 2020 41 Prozent aller an Covid-19 erkrankten und untersuchten Personen nicht mehr riechen und schmecken konnten. Experten sprechen heute von mehr als die Hälfte aller Infizierten.

Warum verlieren Infizierte ihren Geschmack?

Die genauen Mechanismen sind bisher nur teilweise verstanden. Allerdings bildet sich in der Forschung ein Konsens heraus, dass Geruchsverlust auftritt, wenn SARS-CoV-2 Zellen befällt, die Neurone in der Nase unterstützen. Als Fachleute erstmals Geruchsverlust als Symptom von Covid-19 feststellten, fürchteten sie, dass das Virus die Nervenzellen selbst infiziert. Diese senden Signale an den Riechkolben im Gehirn, das damit womöglich in die Schusslinie des Virus geraten wäre. Doch wie Untersuchungen an Verstorbenen zeigten, gelangt das Virus nur selten ins Gehirn. Es sind wohl mehrere Möglichkeiten, wie das Virus den Geruchssinn lahmlegt. Eine davon ist die, die eine italienische Arbeitsgruppe aufspürte. Die Forscher erkannten, dass Geruchs- und Geschmackssinn genau in dem Moment verschwinden, wenn die Menge des Entzündungssignalstoffs Interleukin-6 im Blut steigt.

Wann schmeckt man wieder etwas?

Bei den meisten Menschen stellen sich Geruch und Geschmack binnen einiger Wochen wieder ein. In einer Studie vom Juli 2020 berichteten 72 Prozent der Covid-19-Erkrankten mit Geruchsproblemen, dass der Sinn binnen eines Monats zurückkehrte. Vom Geschmackssinn sagten das sogar 84 Prozent. Auch die englische HNO-Ärztin Claire Hopkins beobachtete, dass die Sinne schnell wiederkehren: Sie untersuchten 202 Patientinnen und Patienten über einen Monat und stellte fest, dass 49 Prozent sich in dem Zeitraum komplett wieder erholten, weitere 41 Prozent berichteten von einer Verbesserung. Bei anderen aber erweisen sich die Symptome als hartnäckiger. Und das hat laut Hopkins Folgen: In der Zeit, in der eine Person den Geruchssinn zurückgewinnt, nimmt sie Gerüche oft als unangenehm wahr oder als verändert gegenüber der Erinnerung. Für diese Menschen „riecht alles streng“, sagt Hopkins, und der Effekt könne Monate anhalten. Möglicherweise, weil sich die Geruchsnerven neu verdrahten, während sie sich erholen. Andere Betroffene schmecken monatelang gar nichts, und der Grund ist unklar. Die HNO-Ärztin vermutet, dass die Coronavirus-Infektion in diesen Fällen die Geruchsnerven abgetötet hat.

Training

Es gibt wenig Forschungsarbeiten zum Thema und das bedeutet, dass kaum effektive Behandlungen bekannt sind. Eine Option allerdings ist ein Geruchstraining, bei dem Betroffene regelmäßig vorgegebene Düfte schnüffeln, um sie neu zu lernen. Claire Hopkins arbeitet mit einer britischen Hilfsorganisation namens AbScent zusammen, um das Wissen über dieses Training in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Allerdings scheint es nicht bei allen zu funktionieren. Medikamente dagegen gebe es sogar noch weniger, sagt Hopkins. Doch in der frühen Phase einer Infektion mit SARS-CoV-2 könnten Steroide helfen, wenn der Geruchsverlust überwiegend durch die Entzündung im Nasengewebe zu Stande kommt.
Mit speziellem Training könne man seinem Geruchssinn auch wieder auf die Sprünge helfen, meint ein internationales Team aus 20 klinisch tätigen Riechexperten. Sie führen aktuell Studien mit Covid-19-Patienten durch. Bei so einem Training riechen die Betroffenen zweimal am Tag für je 20 Sekunden intensiv an vier verschiedenen Düften. Das Training sorgt sowohl in der Riechschleimhaut als auch im Gehirn für Anpassungen. Die Riechwahrnehmung verbessert sich in der Regel nach rund drei Monaten, sagen die Forscher.
„Harzer Käse oder faule Eier, obwohl das starke Gerüche sind, kann ich damit meine Sinneszellen in Nase und Mund leider nicht trainieren“, sagt Dr. Kathrin Ohla, Leiterin der Arbeitsgruppe „Kognitive Neurophysiologie“ am Forschungszentrum Jülich: „Ein Riechtraining ist in der frühen Phase nicht hilfreich, aber es schadet auch nicht.“ Nach dem Blick in die ersten Studien sagt Dr. Ohla, dass der Geruchs- und Geschmackssinn etwa bei der Hälfte der Befragten nach einem Monat wieder zurückgekommen sind, unsere Zellen könnten sich auch regenerieren. Es gibt also Hoffnung, dass der Geruchssinn auch nach einigen Monaten wieder hergestellt werden kann. Es bleibt dabei: bis jetzt gibt es zu wenig Forschungsergebnisse.