Autorin: Anne Klein

Zerebralparese

Die Infantile Zerebralparese beschreibt eine Gruppe von Erkrankungen, die mit einer frühen Hirnschädigung zusammenhängen. Der Begriff setzt sich aus „zerebral“ (cerebellum = das Gehirn betreffend) und „Parese“ (páresis = Erschlaffung) zusammen, wortwörtlich mit Hirnlähmung zu übersetzen. Deren Ursache ist eine Schädigung des Gehirns zu einem frühen, noch unreifen Zeitpunkt. Dieser kann in der Schwangerschaft, um den Geburtszeitpunkt herum oder in der Neugeborenenzeit liegen. Ein besonders hohes Risiko für die Entwicklung einer Zerebralparese haben Kinder, die zu früh auf die Welt kommen und zum Beispiel eine Sauerstoffunterversorgung aufweisen.

Die frühkindliche Hirnschädigung kann zu Aktivitätseinschränkungen des Kindes führen. Diese können sehr mild ausgeprägt sein und beispielsweise nur zu einer leichten Auffälligkeit beim Gehen oder beim Gebrauch der Hand führen. Das Spektrum umfasst jedoch auch Kinder mit schweren motorischen Störungen, Beeinträchtigungen der Kommunikation, der geistigen Entwicklung sowie des Schluckens und der Ernährung. Oft tritt außerdem eine Epilepsie auf. Veränderungen an Muskeln, Sehnen, Knochen und Gelenken sind häufige Folgeerscheinungen der neurologischen Störung. Jedes 500. Kind lebt mit einer Infantilen Zerebralparese. Diese ist somit eine der häufigsten kinderorthopädischen Krankheitsbilder. Die Hirnschädigung bleibt unveränderbar, die Folge der Schädigung ist zum Glück veränderlich.

Woran erkennt man die Hirnschädigung?

Es gibt verschiedene Symptome, die auf eine Hirnschädigung hinweisen können. Aufgrund der Unreife des Nervensystems zeigen sich bei Säuglingen häufig noch keine klaren Zeichen für das Vorliegen einer Zerebralparese. Bei diesen Kindern fällt erst in den ersten Lebensmonaten auf, dass sie zum Beispiel eine Körperseite weniger stark bewegen als die andere oder dass sie die Meilensteine der motorischen Entwicklung nicht altersgemäß erreichen. Im weiteren Verlauf kommen dann neurologische Symptome hinzu, die die Diagnose eindeutig machen: Eine reduzierte Muskelkraft, eine zu niedrige oder zu hohe Grundspannung in der Muskulatur (Muskeltonus), Schwierigkeiten im Sitzen, Stehen oder Gehen sowie ein eingeschränkter Hand- und Armgebrauch sind die häufigsten motorischen Zeichen. Andere Auffälligkeiten wie eine beeinträchtigte Sprachentwicklung oder eine nicht altersgemäße geistige Entwicklung können je nach Art der Zerebralparese hinzukommen. Frühzeitig können auch Fehlstellungen von Gelenken vorliegen und ein Hinweis auf die frühkindliche Hirnschädigung sein.
In der Regel sind Großhirnareale, die für die Bewegungssteuerung zuständig sind, am stärksten betroffen. Prinzipiell können jedoch alle Hirnfunktionen beeinträchtigt sein und es können damit zusammenhängende Oberflächen- und Tiefensensibilitäts-, Seh-, Sprach-, Hör-, Verhaltens- und Lern-Störungen vorliegen. Die Summe der Störungen führt zu Abweichungen der Bewegungsentwicklung. Das dauerhafte Muskelungleichgewicht und der Bewegungsmangel der Kinder verursachen die Entstehung struktureller Muskel-Skelett-Veränderungen (Deformitäten). Daraus resultierende Haltungs- und Bewegungsstörungen, strukturelle Muskelverkürzungen und Gelenkkontrakturen führen zu Schmerzen. Die Bewegungen sind mit einem höheren Energieaufwand und einer raschen Ermüdbarkeit verbunden. Dies schränkt nicht nur die kindliche Entwicklung erheblich ein, sondern in Folge auch die Lebensqualität und letztlich die Lebenserwartung.

Muskelverkürzungen aufhalten

Die Behandlung bei Zerebralparese besteht aus vielen Facetten, die darauf ausgerichtet sind, Muskelverkürzungen aufzuhalten oder sogar zu verringern. Denn durch anhaltende Bewegungsstörungen und Lähmungen verkürzen sich die Muskeln, was wiederum die Beweglichkeit der Gelenke an Armen und Beinen einschränkt und in fortgeschrittenem Stadium auch Verrenkungen zur Folge haben kann. Muskelverkürzungen werden zusätzlich dadurch begünstigt, dass spastische Muskeln nicht mit dem normalen Wachstum des Knochens mithalten können: Da spastische Muskeln meist angespannt sind und selten gedehnt werden, diese Dehnung aber entscheidend für das Faserwachstum ist, wachsen sie nicht ausreichend. Im Gegenzug sind die Gegenspieler der verkürzten Muskeln, die sogenannten Antagonisten, oft überdehnt und schwach. Zur Behandlung bei Zerebralparese gehören Krankengymnastik, je nach Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen auch manuelle Therapie, Ergotherapie oder Logopädie. Auch orthopädietechnische Hilfsmittel und Medikamente kommen normalerweise zum Einsatz. Operationen sind ebenfalls wichtiger Bestandteil des Behandlungskonzeptes und können – rechtzeitig eingesetzt – viele Funktionsstörungen bessern, Fehlbildungen beseitigen oder schwere Folgeschäden verhindern.